Astungsmethoden im Vergleich

 

Problemstellung

 

Bäume sind von Natur aus Heister, d.h. sie haben zwar einen Stamm, die Seitenäste verbleiben aber in der jeweils angesetzten Höhe. Ist kein Wildverbiss vorhanden, beginnt die Krone daher in Bodennähe und verbleibt dort. Im freien Stand sterben die Äste nicht ab und stehen durch ihr Wachstum von Beginn an in Konkurrenz zum Leittrieb. Durch die Auxinproduktion der Triebspitzen und jungen Blätter der Äste dicken diese sich selbst und bewirken dadurch ein stark abholziges Wachstum des Stammes. (Jahrbuch der Baumpflege 2006). Je freier der Baum steht und dadurch die Kronenäste in den vollen Lichtgenuss kommen, desto stärker ist deren Eigendynamik. Durch die starke Abholzigkeit des Stammes ist ein weiteres Aufasten nicht mehr möglich. Aus Kosten- und Verbissgründen werden im Forst häufig geringere Stückzahlen, aber in größeren Qualitäten gepflanzt. Durch den weiten Abstand kann jedoch durch genannte Astdynamik die Produktion von Wertholz gefährdet werden.

 

Dichter Stand oder Wertastung?

 

Durch einen dichten Stand, d.h. hohe Pflanzenzahlen pro Hektar, kann diese unerwünschte Astdynamik unterbunden werden, da die Seitentriebe durch Lichtmangel absterben und die Terminale dominant in die Höhe wächst. Werden jedoch große Pflanzen in einem weiten Pflanzverband gepflanzt, entwickelt sich schnell eine zu große, heterarchische Krone und verhindert die vollholzige Stammentwicklung. Ohne einen frühen Eingriff mit Schere und später mit der Säge werden sich keine Qualitätsstämme erzielen lassen. Selbst bei genetisch hervorragenden Herkünften, die durch die Terminale wachsen, lassen die Seitenäste keine vollholzige Stammentwicklung zu. Eine Wertastung ist auch in diesem Fall erforderlich. Die Arbeitskosten müssen aber möglichst gering gehalten werden.

 

Das Wolbecker Schnittsystem

 

Am Gartenbauzentrum Münster-Wolbeck wurde mit dem Wolbecker Schnittsystem ein Verfahren entwickelt, um bei Straßenbäumen bei Abständen von 10 m ein Lichtraumprofil von bis zu 7 m innerhalb der ersten zehn bis 12 Standjahre, bei Pflanzung einer Baumqualität von etwa 14/16 cm Stammumfang, zu ermöglichen. Wesentliche Elemente dieses Verfahrens sind das rechtzeitige und konsequente Aufasten des Stammes, die gleichzeitige Entnahme zu starker Äste aus der Vorkrone und das Freistellen des Spitzentriebes der Vorkrone. Empfohlen wird dabei eine Aufastungshöhe pro Maßnahme von etwa 0,7 m. Es sind also mehrere Maßnahmen zur Lichtraumprofilerziehung erforderlich. Wird aus Zeitersparnis- und somit Kostengründen pro Schnittmaßnahme deutlich höher aufgeastet, entwickelt sich die verbleibende Restkrone meist zu einer unerwünschten Rundkrone mit einem heterarchischen Kronenaufbau, die eine höhere Stammentwicklung nicht mehr zulässt. Durch die Entnahme des zu großen Kronenvolumens reagiert der Baum zudem in der Regel mit massiven Stammausschlägen, die später mit einem erheblichen Kostenaufwand entfernt werden müssen. Dieses Astungsverfahren ist auch im Wald anwendbar. Die erzielbaren Stammhöhen hängen einerseits von der jeweiligen Genetik des Bestandes ab und andererseits von der Bestandsdichte. Je enger der Abstand, desto größere Stammhöhen sind erreichbar.

 

Alternative: der „Schlanke Schnitt“

 

Soll aus Kosten- und Zeitgründen die Zahl der Astungsmaßnahmen auf ein Minimum beschränkt, d.h. pro Maßnahme bis zu 2m aufgeastet werden, ohne übermäßigen Stammausschlag zu provozieren, und eine Stammhöhe bis zu 10 m erreicht werden, ist eine veränderte Astungsmethode erforderlich. Hierzu wurde das Wolbecker Schnittsystem modifiziert. Wesentliches Elemente bleiben das Entfernen zu starker Äste mit einem Ast/Stammquotienten von > 0,7 und die Entnahme zu vieler, auch dünner Äste, wenn die Astsumme ohne Entnahme zu groß sein würde (siehe Jahrbuch der Baumpflege 2003). Die verbleibenden Äste werden zunächst nicht aufgeastet, sondern eingekürzt. Dieses kann in den ersten Jahren mit einer Heckenschere vom Boden bis zu einer Höhe von etwa 3 m erfolgen. Durch dieses Einkürzen reißt der Auxinstrom der Triebspitzen ab, der die kambiale Aktivität der Äste regelt und die Photosyntheseleistung der Äste wird reduziert. Die unerwünschte Eigendydnamik der Seitenäste unterbleibt dadurch. Man erhält zunächst einen Baum mit einer langen, schlanken Krone, der auch bei einer späteren Astung von über 2 m nicht mit einer Wasserreiserbildung reagiert, da eine ausreichend lange Restkrone vorhanden ist. Der Stamm entwickelt sich absolut vollholzig. Durch diese Vorgehensweise können kostengünstig vollholzige Stämme ohne große Astwunden und Wasserreiser erzielt werden. Der begrenzende Faktor bezüglich der möglichen Stammlänge liegt dabei in der Wuchsstärke des Baumes, der Bodengüte und der Technik.

 

Literatur:


„Aktuelle Untersuchungen zum Lichtraumprofil an Alleebäumen“. P.Uehre, Th.Cleusters, Jahrbuch der Baumpflege 2006, S.49-56

 

„Jungbaummanagement“. P.Uehre, Jahrbuch der Baumpflege 2003, S.81-85

 

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